Was ist das Narrative Coaching?

Foto: Storytelling-Workshop Event mit dem Grauen Esel Coaching-Café Harbung ©anjatimmermann

Das Narrative Coaching ist ein Coaching-Konzept, das sich zuerst einmal abseits vom Business-Coaching entwickelt hat. Anders als im Business-Coaching wird nicht darauf fokussiert, Ziele genau zu definieren und in Handlungspläne umzusetzen. Bei diesem Ansatz steht die Geschichte des Klienten im Vordergrund. Der Ansatz hat sich aus der Psychotherapieforschung entwickelt und lehnt sich an intellektuell-philosophische Strömungen und die qualitative Geschichts- und Sozialforschung an. Anders als in der Wissenschaft geht es aber um die Entwicklung des Storytellers, und als in der Psychotherapie wird (eher ähnlich der Ethnologie) die Beziehung zwischen Coach und Coachee auch transparent in den Prozess mit einbezogen.

Das Narrative Coaching hat sich aus dem Konzept der Narrativen Psychotherapie von Michael White und David Epston (1990) entwickelt. Das Narrativen Konzepts in der Arbeit mit Klient:innen ist eher philosophisch geprägt. Im Zentrum stehen die Geschichten der Klient:innen, das Selbstkonzept, die eigene Identität und Sinnfragen. Also ist das Narrative Coaching eher philosophisch geprägt.

David Drake hat diesen Ansatz auf das Coaching übertragen und als "Mindful, Experiential, and Holistic approach" maßgeblich geprägt.

Das Narrative Coaching hilft Menschen dabei, zu ihren eigenen Geschichten zu gelangen und durch das Erzählen und (neu) Interpretieren neue Möglichkeiten zu schaffen.

Entstehungsgeschichte des Narrativen Ansatzes: Die Narrative Psychotherapie von Michael White und David Epston

Das Narrative Coaching hat sich aus dem Konzept der Narrativen Psychotherapie von White und Epston (1990) herausgebildet. Im Zentrum des Narrativen Coachings stehen das Selbstkonzept, die eigene Identität und Sinnfragen. Also ist das Narrative Coaching philosophisch geprägt und befasst sich mit Fragen wie „wer bin ich?“, „wer will ich sein?“ und „was ist meine Aufgabe im Leben?“.

Michael White und David Epston haben den narrativen Therapieansatz entwickelt, nennen sich aber selbst Co-Entwickler, da sie es so sehen, dass sie ihn mit ihren Klienten zusammen entwickelt haben. Denn bei ihrem therapeutischen Ansatz stehen die Geschichten, die Menschen über sich und ihr Leben erzählen, im Mittelpunkt. Ihren Ansatz erarbeiteten sie in den 1980er-Jahren an zwei geografisch voneinander entfernten Orten: White in Adelaide, Australien, und Epston in Auckland, Neuseeland – eine räumliche Distanz, die ihre kontinuierliche, trans-tasmanische Zusammenarbeit und den kollaborativen Charakter des Verfahrens eindrucksvoll unterstreicht

Die Narrative Psychotherapie von White und Epston basiert auf der Annahme, dass Menschen ihre Identität durch die Geschichten formen, die sie über ihr Leben erzählen. White und Epston betrachten diese Geschichten als Konstrukte, die sowohl von kulturellen und sozialen Einflüssen geprägt sind als auch die individuelle Wahrnehmung und das Verhalten maßgeblich beeinflussen. Zentral ist die Idee, dass problematische Lebensmuster und Konflikte durch das Erzählen alternativer, ressourcenorientierter Geschichten verändert werden können.

White und Epston betonen die Bedeutung der Externalisierung, bei der Probleme als separate Einheiten betrachtet werden, um die eigene Identität nicht vollständig mit den Problemen zu verschmelzen. Dieser Ansatz eröffnet die Möglichkeit, neue Bedeutungen und Handlungsoptionen zu entwickeln, indem die Klienten ihre Geschichten neu gestalten und somit ihre Lebensrealität aktiv beeinflussen.

Das Narrative Coaching nach David Drake

David Drake hat diesen Ansatz auf das Coaching übertragen und als "Mindful, Experiential, and Holistic Approach" maßgeblich geprägt. Ich habe wiederum meine eigene Interpretation des Ansatzes geschaffen, übe also nicht “Narratives Coaching nach David Drake” aus, aber dazu später, zuerst ist es wichtig, seinen Ansatz nachzuvollziehen, denn er hat eine wichtige Rolle in der Übertragung auf Coachinganlässe gespielt und sich viele Gedanken über seine Erfahrungen mit Generationen von Studenten gemacht, die sich in seinem Buch finden.

David Drake überträgt in seinem Buch „Narrative Coaching" (2009) die Narrative Psychotherapie auf das Coaching. Er empfiehlt in seinem Ansatz, die Selbsterzählungen des Coachees mithilfe von narrativen (also das freie Erzählen anregenden) Fragen zu fördern und dann gemeinsam die Geschichten in ihre Fragmente zu zerlegen. Dabei wird darauf geachtet, welche Emotionen und Assoziationen an die einzelnen Episoden geknüpft sind.

Neben den Geschichten, die die oder der Coachee von sich erzählt, gibt es die Geschichten, die sie oder er nicht erzählt. Denn auch sie (oder gerade sie) wirken auf den emotionalen Zustand, die Bewertung von Ereignissen und das Verhalten. Wenn man zum Beispiel niedergeschlagen wirkt, aber beim Erzählen von einem Ereignis nicht erwähnt, dass er es als Misserfolg ansieht, dann ist es Aufgabe des Coaches das anzusprechen.

David Drake geht davon aus, dass die argumentative Diskussion zwischen Coach und Klient über die Erzählungen einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung und Entwicklung der eigenen Identität hat. Durch den Austausch wird die eigene Erzählung angereichert, zum Beispiel um verschiedene Perspektiven. Außerdem wird der Erzählerin oder dem Erzähler die Möglichkeit bewusster, die eigene Geschichte anders zu erzählen, wodurch sich wiederum neue Erkenntnisse darüber ergeben.

So führt in unserem Beispiel die Thematisierung des Misserfolges in Kombination mit den inneren Assoziationen und den äußeren Umständen der Situation zu der Einsicht, dass der „Misserfolg" nicht nur auf die eigene Person, sondern auch auf andere Einflüsse zurückzuführen ist. Die Reflexion kann dazu führen, dass die Klienten ihre Geschichte als wichtige Lebenserfahrung sehen, aber nicht mehr als „gut" oder „schlecht" und darin einen tieferen Sinn sehen.

Kerngedanken im Narrativen Coaching

Im Einklang mit der Narrativen Psychotherapie geht das Narrative Coaching davon aus, dass sich die eigene Identität durch die Geschichten bildet, die der Mensch über seinen eigenen Lebenslauf erzählt. Das Ziel des Coachings ist es, diese Geschichten aufzudecken, so dass es möglich wird, neue Verbindungen zwischen den Geschichten der Klienten, ihrem Identitätskonzept und ihren Verhaltensweisen herzustellen, um neue Optionen zu ermöglichen und zu entwickeln.

Kerngedanken, die auch mich bei meiner Arbeit leiten, sind

  1. Erzählen ist unsere natürliche menschliche Sprache und daher eine sehr leicht zugängliche Form des Coachings, die der Natur des Menschen entspricht und daher wenig anstrengend ist und hochgradig wirksam.

  2. Die Form das Erzählens, im Zweiergespräch oder in der Gruppe, kommt in allen Kulturen vor, das unterstützt die Sinnhaftigkeit und auch die Eignung für interkulturelles wie auch interdisziplinäres Coaching und generell die Arbeit mit diversen sozialen Konstellationen.

  3. Storytelling ist eine Art der Kommunikation, die bewusst seit Anbeginn der Menschheit für die Selbst-Vergewisserung, Wissensweitergabe, Gemeinschaftsbildung und Leadership angewendet wird. Das impliziert, dass das Erzählen nicht nur ein gutes Coaching- und Trainingsformat ist, sondern es auch Sinn macht, Klient:innen Narrative Methoden zu lehren, damit sie sie in ihren Kontexten anwenden können.

Kernmethoden des Narrativen Coachings

Die wichtigsten Methoden umfassen:

  • Narrative Gespräche zum Erkennen der relevanten Themen

  • Timelines, Ereignis-/Emotionskurven zur Orientierung und Markierung

  • Analogien und Metaphern zum Sortieren und Kategorisieren

  • Story-Analyse: Core-Story-Elemente herauskristallisieren

  • Story-Design: Story-Varianten (wie Future Story) entwickeln

  • Story-Telling: Die eigene Story erzählen lernen (ggf. mit Feedback)

Welche Methoden ich verwende, wie zum Beispiel das Laufen über Bodenanker mit farbigen Tapes und Story-Landschaften (wie auf dem Foto oben in einem Training mit dem Presseteam der Landeshauptstadt Kiel), darüber berichte ich in einem der nächsten Blogposts.

Quellen

White, M. & Epston, D. (1990) Narrative Means to Therapeutic Ends. W. W. Norton, New York.

Drake, D.B. (2009). Narrative coaching. In E. Cox,

T. Bachkirova & D. Clutterbuck (Eds.), The Sage handbook of coaching (pp.120–131). London: Sage.

Marc Schreiber, Narrative Ansätze in Beratung und Coaching: Das Modell der Persönlichkeits- und Identitätskonstruktion (MPI) in der Praxis, Springer 2022.

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