Film: La Estrategía del Caracol — Die Strategie der Schnecke (Kolumbien 1993)
Ein altes Mietshaus in einem Vorort der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá. Der Besitzer, ein aufgeblasener Emporkömmling, will das Haus „entmieten": die Bewohner auf die Strasse setzen. Doch hier leben schon seit Jahren eine Reihe von Menschen zusammen, die sich trotz der doch etwas beklemmenden Enge in diesem Haus zuhause fühlen. Da sind:
Don Jacinto, der alte Anarchist;
Romero, der Anwalt, der keine Zulassung hat, doch die Gesetzestricks kennt;
ein junger Revolutionär, der sich als Redner vor den Massen sieht;
ein Pater, der im Diesseits Befriedigung sucht;
Gabriel, der sich als Gabriela verkauft;
eine Alte, die mit einem Scheintoten lebt und der ein Wunder geschieht.
Sie alle haben keine Chance, aber sie nutzen sie.
Jacinto entwickelt einen schlitzohrigen Plan, wie man die noch verbleibende Zeit bis zum angedrohten Rauswurf nutzen kann:
Die Strategie der Schnecke.
Der Film
La estrategia del caracol von Sergio Cabrera ist ein Klassiker des kolumbianischen Kinos. Der Film mit dem Plot einer Gemeinschaft von Mietern, die sich sich der drohenden Zwangsräumung widersetzt, verarbeitet reale soziale Konflikte.
Das Drama wurde mehrfach ausgezeichnet, auch über Kolumbien hinaus — und kam sogar bis nach Berlin.
Leider ist es momentan nicht in deutscher Sprache verfügbar, weshalb ich dir die Handlung hier kurz zusammenfasse.
Festivals & Auszeichnungen: Preis des Publikums, Preis der Jugend und Caja de España, Valladolid Colombo d'Oro, Huelva Soleil d'Or, Preis der CICAE und Preis des Publikums, Biarritz. Weitere Auszeichnungen in Havanna, Latino of Chicago. Die Strategie der Schnecke lief 1994 auf der Berlinale.
Die Story
Wie befreien sich die Mieter nun aus ihrer misslichen Lage, und was hat das mit einer Schnecke zu tun?
Indem sie gemeinsam das gesamte Inventar ihres Hauses Stück für Stück ab- und in Sicherheit bringen — samt Haus.
Die Handlung steht sinnbildlich für Solidarität, Einfallsreichtum und das dauerhaft Kollektive im Kampf um Würde und ein Zuhause. Die Gemeinschaft baut letztlich das Haus ab, zerstört es – und hält im Aufbruch an neue Orte am Wunsch nach Zusammenhalt fest.
Warum uns der Film gefällt
Abgesehen davon, dass er uns als halb-kolumbianische Familie, die meist weit entfernt von Kolumbien ihren Alltag verbringt, in die filmreife, bunte und liebenswerte koloniale Altstadt von Bogotá versetzt:
Charakteristisch (das gilt für viele kolumbianische Werke) ist die Echtheit der Charaktere, die Poesie der Sprache, der fein dosierte Humor — aber auch die Konfrontation mit der rauhen Wahrheit eines Alltags angesichts der Härte der soziale Gegensätze und die Kombination aus pragmatischen Problemlösungen und dem Mut zu utopischen Visionen.
Die Backstory
Regisseur Sergio Cabrera verarbeitet in diesem Film eigene Familien- und Exilerfahrungen sowie politische Geschichte Kolumbiens und der Welt.
Motivierend für den Regisseur und die Crew des Low-Budget-Projekts: Gabriel García Márquez besuchte die Vorstellung des Piloten und ermutigte sie, weiterzumachen.
Transfer zu dir
Angesichts des unausweichlich scheinenden Räumungsbescheids entdecken die Bewohner des Hauses ihre Stärke in der Gemeinschaft, Widerstandswillen, Out-of-the-Box Denken und dem sturen Durchziehen eines pragmatischen Lösungsprozesses.
Was können wir davon lernen für die nächste scheinbar ausweglose Situation?
Eine Übung für dein Storytelling: Welche Geschichte oder Anekdote fällt dir aus deiner eigenen Erfahrung ein, die eine Inspiration für eine Lösung außerhalb des Erwartbaren bieten könnte?
In diesem Sinne: If you want to move the needle (or, a whole house) — create a story.
Mehr
Wer Spanisch kann oder Spanisch hören mag mit Untertiteln, kann sich diese Analyse auf Youtube ansehen.
Trailer auf Englisch: mubi.com/en/de/films/the-strategy-of-the-snail.
Eine andere spanischsprachige, witzige Analyse findest du auf dieser Seite.
Das Museo de Bogotá in La Candelaria: idpc.gov.co/museo-de-bogota