Own your Knowledge — Warum unsere Beziehung zum Wissen wichtig ist

Für Menschen mit viel Bildung, Wissen und Expertise ist ihr eigenes Wissen oft nicht richtig greifbar. Gerade für übergebildete Experten ist das oft ein Problem. Ich schlage den Ansatz des Knowledge Ownership vor: Mach dein Wissen zu „deinem”. Nicht, um es zu behalten. Sondern um es zu qualifizieren und strukturiert, interpretiert und an der Nützlichkeit orientiert weiterzugeben. Dann kommt Leben in die Sache.

 

In den sozialen Medien wird ja viel Wissensschelte betrieben, bei der Technik, Daten und Informationen (fälschlicherweise als Wissen bezeichnet) in die eine Ecke gestellt werden - und davon abgetrennt Menschliches in die andere Ecke. Dabei fallen wir auf einen Kategorienfehler hinein. Denn das Wissen entsteht durch unser Denken - ein allzu menschlicher und äußerst sozialer Vorgang.

Wissen ist menschengemacht, es enthält viel allzu Menschliches: unsere Geschichten und Prägungen, unsere Wünsche und Ängste, unser Streben nach Gemeinschaft, nach Verbesserung der Lebensverhältnisse, nach Transzendenz und schlicht Überleben.

Andersherum ist für Menschen, die Wissen lieben, sich intensiv mit ihren Themen auseinandersetzen und sich viele Kenntnisse angeeignet haben, das eigene Wissen oft nicht richtig greifbar - vor allem, wenn sie gefragt sind, ihr Thema für eine neue oder breiteres Publikum zu erklären oder es in die praktische Anwendung zu bringen. Das sollte aber, mit Verlaub, ihre Aufgabe sein.

Auch wenn es also gerade nicht „en woke" ist, möchte ich eine Lanze für das Wissen brechen und schlage den Ansatz des Knowledge Ownership vor: Mach dein Wissen zu „deinem”. Nicht, um es zu horten. Sondern um das Gute weiter zu qualifizieren und strukturiert, diskutiert, interpretiert und nutzenorientiert der Gesellschaft zurückzugeben.

Beziehungsprobleme — so bekommst du kein Gespür für dein Wissen

Kennst du das Gefühl, dein Wissen ist ein Fass ohne Boden? Jahrelang hast du gelernt und Bücher gewälzt, jetzt schaust Youtube-Videos und eigentlich bräuchtest du auch noch eine Fortbildung, bevor du so richtig loslegen kannst?

Oft ist das Problem, dass Menschen mit viel Bildung, Wissen und Expertise ihr Wissen nicht richtig wahrnehmen können und den Wert nicht greifen können.

Gerade für übergebildete Experten, die sich erhoffen, den nächsten Job zu bekommen, für Vorträge angefragt zu werden oder ihr Angebot auf dem Expertenmarkt selbst zu verkaufen, ist es oft schwer, den Wert ihres Wissens klar zu bemessn. Wie soll es da gelingen, von anderen Menschen selbstbewusst einen Gegenwert zu verlangen?

Aber es ist doch so: wenn du es nicht zu „deinem” machst, wenn du dein Wissensgebiet, Spezialwissen und Angebot, also die Expertise, weder klar definieren kannst, noch ein präzises Wertgefühl dafür hast, vielleicht sogar eine On-off-Beziehung — dann baust du deinen Expertenstatus auf Sand.

Design von Katrien Stevens @karavandesign

Es geht nicht um „haben“ — es geht um „sein“

Wie sehr bist du mit deinem Wissen verbunden? Im akademischen Schreibcoaching beschreibt „Knowledge Ownership“ die bewusste Übernahme von Verantwortung für das eigene Wissen und dessen Vermittlung – ähnlich wie ein „Product Owner“ oder „Process Owner“ im agilen und Business-Kontext für ein Produkt oder einen Prozess steht.

Ich könnte dazu sehr viel schreiben (eine ganze Doktorarbeit — und das habe ich sogar), aber als erste Annäherung kannst du Knowledge Ownership verstehen als Aneignung: Dir das Wissen erwerben oder es dir zu eigen machen. Das geht einher mit der Möglichkeit, etwas Neues, etwas Wertvolles hervorzubringen. Auch mit dem Anspruch auf Urheberrechte — aber auch mit der Übernahme von Verantwortung.

Kernaspekte von Knowledge Ownership:

  • Verantwortung: Du übernimmst Verantwortung für die Qualität, Aktualität und Relevanz des eigenen Wissens.

  • Selbstdefinition: Du kannst die eigene Expertise und deine Kompetenzen klar definieren und abgrenzen.

  • Reflexion: Du reflektierst und entwickelst dein eigenes Wissens und die eigene Positionierung ständig weiter.

  • Gestaltung: Dein eigenes Wissensportfolio ist dein Gold und dein Storytelling die Art, wie du es nach außen kommunizierst. Du gestaltest das aktiv. Das lässt du dir als Expert:in nicht aus der Hand nehmen und wägst du gut ab, auf wessen Beratung du dich verlässt und was du selbst entscheidest.

  • Ownership-Haltung: Du arbeitest konstant an deinem inneren Commitment, das eigene Wissen als wertvolles Gut zu betrachten und mit Überzeugung zu vertreten.

Diese Ownership-Haltung ist meiner Meinung nach die Grundlage, um als Expert:in glaubwürdig, wirksam und sichtbar zu werden. Für Expert:innen, die öffentlich über ihre Expertise sprechen und schreiben, vor allem aber, wenn sie einen Expertenstatus oder Thought Leader Status anstreben, ist diese Haltung essenziell:

Die Hinwendung zum Gegenstand des Interesses (deswegen heißt es inter-esse = mitten darin sein) gleich dem Eingehen einer Beziehung. Dieses Verantwortungsgefühl bildet das emotionale Fundament, um sich das Gelernte „zu eigen zu machen”. Und das brauchen wir, bevor wir Wissen weitergeben. Als Mensch, nicht Maschine.

Entwickle dein Wissen, entwickle dich: Überlasse das Wissen nicht den alten Professoren. Ergreife es dir (nicht ohne zu zitieren, versteht sich), mach dir ein Thema zu eigen, kämpfe dafür und hilf als handelnder Akteur mit, unsere Wissensgesellschaft ein bisschen besser und wieder menschlicher zu machen.

Mach dein Wissen zu deinem eigenen. Dann kannst du es auch am besten mit anderen teilen, und Andere können dich und dein Thema besser verstehen.

In Wissenschaft, Training und organisationaler Praxis lässt sich genau an dieser Stelle eine gefährliche Entkopplung beobachten: Wissen wird häufig entweder technisiert (Daten, Tools, KI) oder romantisiert („menschliche Intuition“). Beides unterschlägt, dass Wissen immer ein neurokognitiver und sozialer Prozess ist – eingebettet in Geschichten, Beziehungen und kollektives Lernen. Aus der Sicht der kognitiven Neurowissenschaft ist Wissen nicht „da draußen“, sondern entsteht durch kontinuierliche Modellbildung im Gehirn, durch geteilte Bedeutungen und durch den Transfer in neue Kontexte. Genau dort zeigt sich seine Qualität: Wissen beweist sich erst im Austausch, in Anwendung und in der gemeinsamen Weiterentwicklung. Deshalb ist dein Gedanke des Knowledge Ownership so entscheidend. Nicht, um Inhalte zu besitzen, sondern um Verantwortung für Klarheit, Kontextualisierung und Weitergabe zu übernehmen. Wer Wissen teilt, qualifiziert es – und stärkt zugleich die Wissensgesellschaft, die wir dringend brauchen.
— Dr. Franz Hütter, Thinktank #netofbrains und Brain-HR Institut

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Hallo, ich bin Anja. Ich schreibe mit Experten ein Blueprint ihrer Expertise. Und das war die Frage der Woche in meinem Academy Letter. Er kommt jeden Mittwoch Mittag. Im Blog findest du mehr zum guten Umgang mit Wissen und wie du Storytelling als Methode für Experten einsetzen kannst. Melde dich hier sehr gern für meinen Academy Letter an. Er kommt mittwochs, und ab und zu am Freitag mit einer Story zum Wochenende.

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Wissenschaftlichkeit: Ein Universelles Arbeitsprinzip nicht nur für Professoren