Zum Licht

{Neujahrsstory, aus meinem Academy Letter}

6. Januar 2023, Dreikönigstag. Die Bücher in meinem kleinen Dachstudio finden so langsam den Weg in Regale zurück — das große Alte haben wir an Sylvester drei Stockwerke kürzer gemacht. Beim neu sortieren ist mir ein altbekanntes Buch in die Hände gefallen:

Die Blechtrommel. Wenn das Buch ein Fisch wäre, hätten wir jede Schuppe unter die Lupe genommen, so haben wir dieses Werk durchdrungen. Ich glaube heute, es war meinen progressiven Lehrern damals ein Manifest der Moderne.

Heute in der Freitagsstory erfährst du, außer dass diese Lektüre meine mit 100 Jahre Einsamkeit und dem Namen der Rose begonnene Verehrung für lange Sätze auf ewig verfestigt hat:

  1. Was mir durch den Kopf ging, als ich das kleine, vergilbte, abgegriffene Taschenbuch umsiedelte,

  2. welcher mein Lieblingssatz aus dem Buch ist und

  3. warum Trommel und Schrei, Falter und Glühbirne der perfekte Einstieg sind, um 2023 zu planen.

 
 

Trommel und Schrei, Falter und Glühbirne

Neben anderen Bildern, die sich in mein Gedächtnis für immer eingebrannt haben — das Spießerwohnzimmer mit gedrechselten Möbeln, die Aale im angeschwemmten Kopf eines toten Pferdes, Brausepulver — sind die obigen die offensichtlichen Hauptmotive der Blechtrommel.

Trommel und Schrei

Wie passend, den Jahreswechsel mit dem Bild einer Trommel einzuleiten.

Die Trommel war die gefundene Möglichkeit für den kleinen, übersehenen Oskar, das “Oskarchen”, sich Gehör zu verschaffen, und zwar mit einem von einem Trommelwirbel angekündigten ohrenbetäubenden Schrei.

Nehmen wir einmal die Grass’sche Pikanz und Dramatik heraus und schauen uns die Botschaft hinter der Metapher an:

Oskar war anders. Aber er war einfallsreich und mutig. Und hat einen eigenen Weg gefunden, sich bemerkbar zu machen.

Erzähle deine Geschichte.

Trommelwirbel und eine laute, deutliche Aussage, das ist, was gute Experten brauchen — auch wenn sich alles in ihnen dagegen sträubt. Und deshalb sitze ich hier vor dem abgesägten Regal und nehme Videos auf, in denn ich dir zeige, wie du deinen eigenen Weg findest, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und dann genau die richtigen Worte zu finden: um deine Expertise und dein Angebot mit der Wirksamkeit von Storytelling auf deine eigene Art zu kommunizieren.

Falter und Glühbirne

Sehen wir die Glühbirne als Licht und damit Erkenntnis, Klarheit und Wissen, dann ist der Experte, der sein Thema hingebungsvoll liebt (man sagt ja auch, dafür brennt) in demselben Dilemma, wie der Falter in der Geburtszene (siehe den Klappentext auf dem Foto):

Einerseits zieht ihn das Licht unausweichlich an — andererseits und fatalerweise birgt die Nähe zu seinem Ziel die Gefahr, ganz darin aufzugehen, seine ursprüngliche Form zu verlieren, symbolisch: zu sterben. Bei aller Dramatik ist das Thema doch die Beziehung, die zwischen Falter und Glühbirne besteht.

Bei Grass eine Allegorie auf Leben (Licht) und Tod.

Aber ich sehe darin auch (und hier wird es möglicherweise für dich relevant) das Thema der bedingungslosen Hingabe, des Strebens nach der Energiequelle, die uns anzieht.

Und nun du:

Hier kommt eine Frage, die an meine Blueprint-Teilnehmer zu stellen ich mir angeeignet habe, wenn wir mit “üblichen” Fragen zu Expertenpositionierung und Angebot nicht weiterkommen.

Überleg mal:

Wenn alles gegeben wäre — Zeit, Räume, Personal, Geld — welcher Tätigkeit in deinem beruflichen Handlungsfeld würdest du dich am allerliebsten völlig hingeben? Worin würdest du ganz aufgehen und spürst schon jetzt, wenn du diese Zeilen liest, die Erfüllung, die dir das bringen würde?

Darauf haben meine Teilnehmer ganz unterschiedliche Antworten gefunden:

  • “Am liebsten hätte ich einen Raum ganz für mich, in dem ich mehrere Stunden am Tag nur dem lesen, denken und schreiben nachgehen kann.”

  • “Ich könnte den ganzen Tag in Ledersesseln in VIP-Etagen sitzen und einflussreiche Manager beraten.”

  • “Ich würde frei herumreisen und auf verschiedenen Veranstaltungen Vorträge halten.”

  • “Mit Menschen in Workshops Neues erarbeiten.”

  • “Menschen Räume bieten, damit sie dort an sich arbeiten können.”

  • “Spannende Personen interviewen.”

  • “Ein Buch schreiben.”

Jedesmal sind es kleine Stories in der Nussschale, die mir so echt und unverfälscht vorkommen, dass ich mich gefragt habe: wohin gehen wir von hier aus, und sich die Folgefrage nahezu aufdrängt:

“Um welchen Kern herum willst du dein Expertentätigkeit gestalten?”

Denn wenn diese EINE Sache dir so wichtig ist und ein wahrer Energiespender, dann brauchst du dich doch blos noch fragen:

Wer muss ich SEIN (zu wem muss ich also erstmal WERDEN) und was muss GESCHEHEN, damit ich diese Energie in diesem Moment erzeugen kann?

Think about it.

Übrigens: Es funktioniert auch umgekehrt:

Ich dachte immer: Wenn ich alles erledigt habe (1. eine Akademie aufgebaut, 2. konstant einige spannende Unternehmensaufträge und 3. eine kleine aber mega Mastermind-Gruppe einiger weniger Coachees jedes Jahr — dann habe ich endlich Zeit, mich in Ruhe hinzusetzen und ein Buch zu schreiben.

Wenn mir aber die Energie dafür fehlt (wie so oft bei den Dingen, die wir tun, um etwas anderes tun zu können), dann setze ich mich hin und schreibe 10 Minuten an einem Buch. Nix erstmal. Ich setze mich einfach in meinen Sessel, klappe mein Journal auf und schreibe 10 Minuten einen Text, von dem ich mir vorstelle, er sei für ein Buch.

Meist wird dann ein Blogpost oder ein Storyletter daraus. Aber die Vorstellung, ich schreibe an meinem Buch, gibt mir alle Energie, die ich brauche, um weiterzumachen, auch wenn nicht immer alles Freude bringt in der Selbstständigkeit.

Und damit wünsche ich dir einen guten Start in 2023!

Deine Anja

PS: Mein Lieblingssatz

Mein Lieblingssatz, wenn man bei der Blechtrommel überhaupt von Lieblingssätzen sprechen kann, in der alles einem, zumindest jugendlichen Schülern späterer Generationen, irgendwie zumindest seltsam, wenn nicht unangenehm ekelhaft vorkommt, findet sich auf den Seiten 25 und 26. In diesem Satz, der über eine halbe Seite geht und den ich dir daher über einen Link zugänglich mache, geht es um die wilde Flucht des Großvaters über einen Fluss voller Schiffe, Holzbalken und Flöße. Und in der Mitte, schön eingerahmt von atemlos aneinandergereihten Partikeln und Halbsätzen, heißt es:

“Wasser hat dennoch Balken”

In der Szene ist das Wasser spürbar voller Balken, sie bieten Struktur und einen Weg dort, wo der mahnende Volksmund dich glauben macht, dass es da nichts gibt. Ist das nicht eine schöne Aufgabe des Autors, sich den Dingen aus einer anderen Perspektive zu nähern, bis zu eine neue Wahrheit förmlich glaubst, bevor er sie ausgesprochen hat, so dass du nur noch nicken und ihm beipflichten kannst? Natürlich hat Wasser Balken. Ein Satz im atemlosen Gallopp, ganz nebenbei durch die Weltgeschichte der Seefahrt. Und richtig: wie hätte sich die Welt anders entwickelt, wenn wir nicht Wege gefunden hätten, das Wasser zu überqueren?

*Die Blechtrommel, Kapitel “unterm Floß”, kurz vor dem Kapitel “Falter und Glühbirne”: you-books.com/book/G-Grass/Die-Blechtrommel

 

Diese und viele andere inspirierende Stories aus diesem Jahr findest du in meinem Living Journal, dem Own your Knowledge Blog. Ich schreibe für mein Leben gern und freue mich, wenn du meinen Blog und den Academy Letter mit der Freitagsstory weiterempfiehlst.

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